Die Norddeutschen lassen ihr plattdeutsches Erbe gerne auch in ihre Sprache einfließen. Sie „schnacken“ und „klönen“ mit den Nachbarn (manche „praten“ oder „küern“ auch). Sie nennen andere „Tüdelbüdel“ oder „Spacken“. Oder „plietsch“ oder „knickerig“. Man hört sogar manchmal „beikleinen“ (bilütten). Sie geben dem faden Hochdeutsch damit etwas Würze.
Aber was ist eigentlich neben der plattdeutschen Sprache noch alles typisch norddeutsch oder typisch nordisch?
Wer sind wir?
Einen „Volkscharakter“ zu definieren, hat heute (auch völlig zu Recht) meist einen völkisch-nationalistischen Beigeschmack. Wenn hier also über den „Charakter der Norddeutschen“ gesprochen wird, dann muss klar sein, dass das Klischees sind. Klischees mit wahren Kernen, aber am Ende doch Klischees. Niemand muss sie erfüllen, niemand erfüllt sie völlig und sowieso sind die Menschen des 21. Jahrhunderts völlig andere als die, die früher lebten.
Den Norddeutschen wird nachgesagt, einen ruhigen und rauen Charakter zu haben. Sinnbildlich tritt hier die Sitzbank am Deich vor das innere Auge, auf der sich drei windgegerbte Küstenbewohner einfinden, um gemeinsam ihren Ostfriesentee oder ihr Bier zu trinken und auf das Meer hinauszublicken. Gesagt wird dabei nichts. „Moin“ reicht, „Moin, Moin“ is al Gesabbel!
Dieses Klischee ist natürlich völlig übertrieben. Aber zumindest der Kern ist wahr. Manche Norddeutsche fremdeln doch sehr mit den „jecken“ Rheinländern oder den schwätzenden Süddeutschen. Emotional ungerührt bilden die Norddeutschen den Fels in der Brandung. Wobei sie in der Regel als kühl, nicht aber als emotional kalt gelten, denn was um sie herum passiert, beschäftigt sie sehr wohl. Sie lassen es bloß nicht ungefiltert raus, sondern verarbeiten es im Inneren. Wenn es Not tut, kann es aber auch mal aus den Norddeutschen herausbrechen.
Wenn wir zum Spaß einmal die deutschen Bundeskanzler nach ihrer Extrovertiertheit und Jovialität sortieren, dürften die Norddeutschen Schmidt, Brandt und Merkel deutlich weiter am „kühlen“ Ende der Skala landen als der Rheinländer Adenauer, der Franke Erhard oder der Pfälzer Kohl.
Was tun wir?
Aber weg von der Küchenpsychologie und hin zu anderen Merkmalen! In der Architektur ist Plattdeutschland geprägt vom Backstein. Seine Verwendung ist durch die Verfügbarkeit von brennbarem Lehm und die begrenzte Verfügbarkeit von Naturstein in den Küstenregionen begründet. Seit dem 12. Jahrhundert war Backstein als Material für repräsentative Bauten üblich geworden. Seitdem wurde ununterbrochen mit ihm gebaut und die norddeutschen Architekturepochen der Backsteinromanik, der Backsteingotik, der Backsteinrenaissance und des Backsteinexpressionismus folgten.
Das norddeutsche Bauernhaus wurde früher mit ungebranntem Lehm verfacht. Aber seit dem 19. Jahrhundert war Backstein so günstig geworden, dass er auch hier verwendet wurde. Und bis heute werden Gebäude, vom Einfamilienhaus bis zu Geschäftsgebäuden, weiterhin vielfach in Backstein ausgeführt.
Bleiben wir kurz beim Bauernhaus. Es gibt verschiedene Bautraditionen in Plattdeutschland. Die wichtigste aber ist das Niedersachsenhaus oder Hallenhaus. Die meisten dürften diesen Haustyp kennen. Fachwerk, Reetdach und ein großes Tor in der Mitte der Giebelseite. Hinter dem Tor erstreckt sich eine Diele weit ins Gebäude. Getragen wird das ganze Gebäude von Ständern, die aber nur von der Diele aus sichtbar sind. Diese Bauweise ist seit dem Mittelalter in Norddeutschland verbreitet. Bis ins 19. Jahrhundert wurden sie noch neu gebaut. Traditionell war auf der Diele das Vieh untergebracht und im hinteren Hausteil lebten die menschlichen Bewohner.
Heute sind diese Gebäude meistens umgebaut zu reinen Wohnhäusern oder zu reinen Ställen. Trotzdem prägen sie in den kleineren Orten noch Ortsbilder und wer im Hintergrund etwa einer Fernsehserie solch einen Giebel mit Tor entdeckt, der weiß sofort, dass die Handlung im Norden spielt.
Das Niedersachsenhaus war von den Niederlanden bis nach Pommern verbreitet, wobei es im östlichen Mecklenburg und westlichen Pommern bereits eher die Ausnahme als die Regel war. Dort im Osten herrschte eher das Modell von herrschaftlichen Gutshäusern mit Wirtschaftsgebäuden und eher einfach gehaltenen Landarbeiterhäusern vor.
Im Süden waren Vierseithöfe verbreitet, in Schleswig Geesthardenhäuser und in Friesland Gulfhäuser.
Backsteine und Hausbau sind der Geografie geschuldet, die in der Nordeuropäischen Tiefebene weitgehend flach ist. Hier herrschen Marsch, Moor, Heide und Geest. Aber als typisch können wir die Flachheit auch nicht wirklich bezeichnen, denn im Süden haben wir ja durchaus auch Berge: Weserbergland, Rothaargebirge, Harz etc.
Trotz Bergen sind natürlich an der Küste Seefahrt und Fischerei auf jeden Fall Teil unserer Kultur. Und durch die Hanse hat die Seefahrt uns auch bis heute nachhaltig geprägt.
Was nehmen wir zu uns?
Im kulinarischen Bereich ist eines der typisch norddeutschen Merkmale das Schwarzbrot. Wobei wir hier „Schwarzbrot“ als Roggenbrot verstehen müssen, denn der Ausdruck „Schwarzbrot“ existiert auch weiter im Süden, meint dort aber ein Mischbrot. Das norddeutsche Schwarzbrot besteht ausschließlich oder fast ausschließlich aus Roggenmehl und Roggenschrot. Die ausgeprägteste Form ist dabei der Pumpernickel.
Und auch wenn die Mettwurst nicht ausschließlich im Norden bekannt ist, so gehört sie doch irgendwie dazu zu unserem Schwarzbrot. Zum Kööm dorbi haben wir einen eigenen Text.
Die süßere und hellere Brotvariante aus Weizenmehl wird Stuten genannt und war im bäuerlichen Umfeld ein Essen für besondere Gelegenheiten (zum Beispiel der Hochtietsstuten).
Die Vorliebe für Schwarzbrot teilt der Norddeutsche übrigens mit den Ländern Skandinaviens und rund um die Ostsee.
Das ist ein Phänomen, das sich bei vielen Gerichten finden lässt. So ist etwa die Rote Grütze ebenfalls typisch für die Küche Norddeutschlands und Skandinaviens. Die Fliederbeersuppe oder karamellisierte Kartoffeln sind ebenso fast überall im Norden genauso wie in Dänemark populär.
Womit beschäftigen wir uns?
Die evangelische Konfession kann man nur schwerlich als „typisch norddeutsch“ bezeichnen, immerhin gibt es zahlreiche Regionen, die sich mit vollem Recht norddeutsch oder plattdeutsch nennen können, aber schon immer katholisch gewesen sind. Trotzdem ist die Mehrheit im Norden evangelisch und die Mehrheit im Süden katholisch, was den Norden sicherlich mit geprägt hat. Im guten wie im schlechten, denn gerade Martin Luthers Bibelübersetzung ins Hochdeutsche hat ja mit dazu beigetragen, dass das Plattdeutsche von der Amtssprache der Hanse abgestürzt ist zu einer Sprache, die nur noch im privaten Umfeld gebraucht wurde. Und heute geht ja sowieso kaum noch einer in die Kirche.
Vergessen wir die Religion. Ist Hip-Hop vielleicht typisch nordisch? Nordish by Nature von Fettes Brot? Jan Delay? (Ja, das ist nicht Jan selbst, das ist „Hinnerk“.) De fofftig Penns & Klaus & Klaus?
Fazit
Es gibt fast nichts, was uns Norddeutsche alle vereint. Aber spüren wir es nicht doch ein bisschen, dass wir ein spezieller Schlag Menschen sind? Und sei es am Ende nur unsere Sprache.